Alles über den Pimentón de la Vera, antworten die Experten
„Über zwei Wochen werden unsere Paprika-Schoten über Eichenholz sanft geräuchert und dabei getrocknet“, sagt Carlos Olivo im Exklusiv-Interview für Colono über den „Pimentón de la Vera“ von „La Chinata“ und das geräucherte Olivenöl von „Finca La Barca“. Es sei dasselbe Verfahren, das vor einem halben Jahrtausend Mönche im berühmten Kloster von Yuste angewendet haben, wo Karl V. seinen Lebensabend verbrachte. „Das gibt dem Paprikapulver nicht nur sein einzigartiges Aroma, auch die Carotine bleiben erhalten, für die intensive rote Farbe.“
Frage: Sind die Pimentón-Pflanzen, die heuer reifen werden, schon am Keimen?
Antwort: Wir fangen stets im Februar, meist um die Monatsmitte damit an, die Samen in ihre Keimbehälter zu setzen. Diese werden bis Mai im Gewächshaus anwachsen, ehe wir sie an unsere Landwirte weitergeben, die sie dann, abhängig vom Niederschlag und den Temperaturen in ihre Felder pflanzen. Dann haben sie eine Größe von etwa vier bis fünf Zentimeter. Das Klima bei uns in der Extremadura ist recht extrem. Wir haben ziemlich kalte Winter, und auch heiße Sommer. Wobei durch die nördlich-gelegene Sierra de Gredos sind wir meist von extremen Hitzewellen nicht betroffen.
Frage: Wie viele Landwirte pflanzen für Sie Pimentón in der Vera-Region an?
Antwort: Wir sind alle wie eine große Familie. Und es sind etwa 80 Landwirte, auch allesamt wie wir Familienbetriebe, mit denen wir oft auch schon über 30 oder 40 Jahre zusammenarbeiten. Wir geben ihnen die Stecklinge im Mai, und nehmen die Ernte dann ab. Es ist ein Zusammenhalt, denn ohne ihre Arbeit hätten wir auch kein Produkt. Wir schätzen sie sehr. Ein jeder der etwa 80 Landwirte bestellt zwischen 150 und 180 Hektar Land mit Pimentón-Pflanzen.
Frage: Bei den Sorten setzen Sie auf drei, den süßen Jaranda-Paprika, und Bola, fein-bittere Jarisa-Paprika und pikantere Jeromín. „Jarisa“ hat jetzt aber nichts mit der tunesischen Chili-Soße „Harissa“ zu tun, oder?
Antwort: Nein, die kommen nicht aus Tunesien. (lacht) In der Extremadura waren wir vielmehr so ziemlich die Ersten, die Paprika in der ‚Alten Welt‘ kultivierten, der eben erst von Christoph Kolumbus 1493 und den ersten Entdeckern sowie den späteren Konquistadoren zu uns gebracht worden war. Es waren Mönche, die unweit von hier im Kloster von Yuste die ersten Samen pflanzten. Das Kloster, das auch als Alterssitz vom Kaiser Karl V. berühmt ist, nutzte auch das Räuchern der Paprika-Schoten, das bis heute so charakteristisch für den Pimentón de la Vera ist. Denn hier ist es, anders als in trockeneren oder milderen Gebieten Spaniens, etwa um Murcia oder in Andalusien, nicht möglich den Paprika im Herbst nur Luft zu trocknen. So räucherten und trockneten die Mönche über Steineichen- und Eichenholz, wie wir heute über 500 Jahre später noch. Ein Prozess, der 15 Tage zu niedrigen Temperaturen dauert. Damit trocknet man und räuchert zugleich. Das macht den Pimentón auch zu so etwas Besonderem. Unser ‚geräucherter Paprika‘ ist einfach einzigartig. Ein überaus schöner Nebeneffekt dieser langsamen und sanften Herstellung ist, dass der getrocknete Paprika die rot-gelben Naturfarbstoffe erhält, die so genannten Carotine. Damit ist das Pulver besonders farbintensiv, lebendiger und das auch Speisen, die damit zubereitet werden.
Wie die ersten Paprika aus der „Neuen Welt“
Frage: Was sind die geschmacklichen Charakteristika der einzelnen Sorten? Wobei ich betonen muss, dass der ‚scharfe‘ Pimentón jetzt bei weitem nicht in Sphären vordringt, die sensiblen Gaumen eine Thai-, Habanero- oder gar Carolina-Reaper-Erfahrung einbringen.
Antwort: Unsere Kunden nehmen zu 60-70 Prozent den süßen Pimentón. Wofür man die Sorten verwendet, das hängt natürlich vom Geschmack eines jeden Einzelnen ab. Und der kulinarischen Tradition der Regionen. In der Extremadura wird am meisten mit dem bitter-süßen Pimentón gekocht. Eine minimale Schärfe und weniger süß, das ist was hier bevorzugt wird. Den pikanten Pimentón verwenden viele für den berühmten „Pulpo a la Gallega“, oder über das geschmorte Räucherfleisch Lacón. Der süße Pimentón ist quasi für den Alltag, Eintöpfe, Linsen, Reisgerichte, geschmortes Gemüse und wo er eben überall dazu passt. Auch für Kinder ist der süße wohl die beliebteste und beste Wahl. Der bitter-süße ist auch der bei Gourmets besonders gut ankommt. Und wir sind eben an Versuchen, einen „extra-pikanten“ zu kreieren, da dies von Kunden aus Regionen gewünscht wird, wo eben schärfere Speisen gegessen werden. Eben am internationalen Markt gibt es Staaten, wo das was wir als „pikant“ bezeichnen als Scherz empfunden wird, etwa in Mexiko oder Marokko. Und auch in der Gastronomie wird Schärfe immer mehr gefragt. Was man eben auch sieht bei der Fülle an extrem scharfen Soßen sieht, die nachgefragt sind. Wir werden dafür mit den Samen der Jeromín-Paprika arbeiten, denn wir dürfen nur autochthone Pflanzen verwenden, die hier in der Region von Vera zertifiziert sind. Unsere Paprika haben auf der Scoville-Scala maximal 8000-12.000 Scoville-Grad (Anm. wie ein Jalapeño-Chili etwa. Andere Sorten international übertreffen hier Werte von einer und auch zwei Millionen (Anm. Carolina Reaper, Trinidad Moruga Scorpion). Das ist ja ein Wahnsinn!
Frage: Mittlerweile haben Sie auch ein ökologisches Paprika-Pulver mit Biosiegel im Sortiment. Ich nehme an, es hat seine Zeit gedauert, dieses zu erhalten ...
Antwort: ... mit diesem Projekt haben wir vor vielen Jahren begonnen, denn die Verfahren dauern eben auch Jahre. Im letzten Jahr haben wir es nun umgesetzt, auch da immer mehr Kunden ein ökologische Paprikapulver wollen. Noch ist der Absatz sehr klein, aber ich gehe davon aus, dass dieser Jahr für Jahr, und deutlich, wachsen wird. Insbesondere in Mittel- und Nordeuropa hat die ökologische Landwirtschaft schon ein beachtliches Gewicht, anders als in den Staaten des Mittelmeerraumes. Aber auch hier wird dieser definitiv weiter steigen.
Frage: Sie und Ihr Bruder Javier führen la „Chinata“ mittlerweile in dritter Generation, mit Ihrem Vater Cecilio. Was sind Ihre Erinnerungen zum Familienbetrieb aus Ihrer Kindheit und Jugend?
Antwort: Mein Großvater hat das Unternehmen 1975 gegründet, und ja, wir haben den „Pimentón de la Vera“ im Blut, wie man so sagt. Wir haben immer mitgeholfen, am Anfang vor allem in der Erntezeit, und dann mit 15-16 Jahren eben im Büro. Ich war damals schon oft am Übersetzen von Post und E-Mails, in erster Linie auf Englisch, um auch den Export zu forcieren. Mein Vater ist nicht sprachbegabt, auch wenn er sehr viel gereist ist, kann er kaum Englisch. Für uns, für mich und Javier, ist „La Chinata“ eine Lebensart, und auch weit mehr als ein Hobby. Für sie geben wir alles.
„Tausende Verwendungsmöglichkeiten“
Frage: In Ihrer Generation haben Sie es geschafft, dass „La Chinata“ nicht nur in den Küchen und spanischen Restaurants kaum wegzudenken ist. Mittlerweile exportieren Sie in über 70 Staaten. Welchen Anteil hat der internationale Markt für den Umsatz, und wo ist die Nachfrage besonders groß?
Antwort: Etwa 70 Prozent unseres Pimentón geht bereits ins Ausland. Spanien stellt etwa 30 Prozent, wobei hier die Konkurrenz größer ist, es weit mehr Erzeuger gibt und wir auch nur im Spitzensegment vertreten sein wollen. Im Regal eines Diskounters wollen wir unsere Dosen nicht sehen. Sondern in gut-sortierten Supermärkten und Feinkostläden. Am internationalen Markt waren wir die Ersten, was auch eine Führungsrolle bringt. Die USA und Kanada sind wichtige Exportmärkte, auch der ferne Osten, Singapur und Taiwan etwa, wo unsere Absätze stetig wachsen. Seit einigen Jahren sind wir auch stark in Saudi-Arabien präsent, was uns überraschte und auch sehr freut. So gibt es unsere „La-Chinata“-Dose auch auf Arabisch, was auch vom Kunden dort sehr geschätzt wird. Meinen Vater hat man noch vor 30 Jahren für verrückt gehalten, als er begann den Pimentón im Ausland zu verkaufen. Er hat die Samen weltweit gepflanzt, dank vieler Reisen, seiner Teilnahme an Messen, Kontakten zu Köchen. Und das hat seine Früchte getragen. Ein derartiges Unterfangen kann man auch nicht von heute auf morgen umsetzen. Das muss langsam und bedacht geschehen, Schritt für Schritt. Hier hat für uns auch Colono Gourmet eine wichtige Bedeutung. Auf das „La Chinata“ mehr und mehr bekannt und von den Kunden geschätzt wird. Und ja, Lateinamerika wäre ein guter Exportmarkt, auch wegen der kulinarischen Verbindungen zu Spanien. Aber es ist ein sehr komplexer Markt, mit unüberschaubaren Reglementierungen, viel und langsamer Bürokratie und auch wirtschaftlichen Schwankungen, wie etwa die periodischen Krisen in Argentinien etwa. Aber in Argentinien sind wir seit 2020 wieder präsent. Und wir erhalten auch hunderte positive Kommentare von Kunden dort.
Frage: Ich muss gestehen, ich habe schon Gulasch mit Ihrem Paprika, süß und pikant gemischt zubereitet. Das Resultat war köstlich, mit dem feinen Raucharoma und die sattrote Farbe.
Antwort: Der Pimentón de la Vera muss auch nicht einzig für spanische Gerichte verwendet werden. Er passt zu so vielem, sei es Pizza oder Pasta, einem Kebab anstatt dem türkischen Pul Biber eben unsere Pimentón-Flocken, die ohne Samen – und das in Handarbeit – hergestellt werden und so auch optisch hervorragend aussehen, einem Hamburger, auch Sushi oder die hawaiianischen ‚Poke‘ die eben so boomen. Es muss nicht immer eine Paella sein oder ein spanischer Linseneintopf (lacht). Es gibt tausende Möglichkeiten.
Frage: Es ist schon einfach auf dem Spiegelei herrlich ...
Antwort: Für mich ist eines der einfachsten Gerichte eine reife, fleischige Tomate der Saison, etwas Olivenöl, feine Salzflocken und Pimentón. Mehr brauche ich nicht.
Frage: Der Name und auch das Logo sind überaus einprägsam, und fast zum Inbegriff für „Pimentón de la Vera“ geworden. Wie kam Ihr Großvater auf die Idee?
Antwort: Mein Großvater wurde in einem Dort unweit von hier geboren, in Malpartida de Plasencia. Und die Frauen aus dem Dorf nennt man „Chinatas“, es ist die historische Einwohnerbezeichnung, ganz simpel. Warum, darüber gibt es viele Theorien. Eine davon ist, dass die Bewohner hier Steinschleudern, im Spanischen „Tirachinas“ verwendeten.
Geräuchertes Olivenöl und Aioli
Frage: Ihr Großvater meinte ja, ‚eine Küche ohne Pimentón wäre eine traurige oder gar kranke‘.
Antwort: Mehr eine ‚traurige‘ würde ich meinen. Auch da wir in einer Zeit leben, wo vieles nicht mehr so schmeckt, wie es sollte. Das Fleisch aus industrieller Produktion, Fleischfabriken, Hühner aus Massentierhaltung, Überzüchtung und Massenproduktion, auch beim Gemüse und Obst. Aber vielmehr dienen Gewürze, wie auch unser Naturprodukt der Pimentón dazu, Speisen ein gewisses Extra, einen Kick zu geben.
Frage: Unlängst haben Sie auch mit „Finca La Barca“ eine innovative Gourmet-Linie lanciert, dabei räuchern Sie Arbequina-Olivenöl im selben Verfahren, wie die Paprika-Schoten ...
Antwort: Die Idee dazu wurzelt in unserer Philosophie: Wir wollen nicht das machen, was schon viele andere erzeugen. Sondern wir müssen uns immer abheben, und das mit besonderem Fokus auf Spitzenqualität. Ich und mein Bruder sind dabei ständig am Tüfteln und haben immer neue Ideen. Die Produktion von Olivenöl ist etwas, das schon immer Teil unserer Familie war. Die Familie meiner Mutter hatte Olivenhaine und die meines Vaters eine traditionelle Olivenmühle. Doch am Markt gibt es zahllose exzellente Öle und Sorten. Allesamt top von Qualität und Geschmack, also mussten wir uns eben abheben. Und wir dachten eben, das was unseren Pimentón de la Vera so besonders macht, ist das Räuchern. Also warum experimentieren wir nicht mit Olivenöl und dem Prozess. Es war nicht einfach, auch da das Öl nicht an Qualität einbüßen darf, im Geschmack und Geruch insbesondere. Aber es ist uns geglückt, und die limitierte Produktion verkauft sich exzellent. Im Vorjahr haben wir alle Flaschen verkauft, heuer haben wir daher die Produktion ein wenig erhöht.
Frage: Ich konnte es noch nicht kosten, aber man sagt mir, das Aioli, dass Sie aus diesem geräucherten Olivenöl herstellen wäre himmlisch.
Antwort: Als wir das geräucherte Olivenöl in den Händen hatten, wollten wir sofort auch ausprobieren, wie die typischen Soßen, die man daraus macht, eben damit schmecken. Ich mache mein Aioli und meine Mayonnaise ohnehin immer selber. Als ich mein erstes Aioli kostete, war mir klar, das wird gut ankommen. Und wir haben damit auch gleich einen wichtigen Preis gewonnen, eine der „Great Taste Awards“ in England. Das war für uns eine große Ehre und Bestätigung für die Arbeit, die wir machen. Und unsere eingelegten geräucherten Pimientos del piquillo haben wir an einen Sternekoch in Deutschland gesendet, und er meinte: Das wären die besten die er in seinem Leben gekostet hat. Das schafft man nur, wenn man auf Qualität setzt, und dabei sich auch noch mit Produkten abheben will. So ist es auch mit Perlen aus Pimentón de la Vera, ein Gourmet-Produkt, preislich gehoben, aber einzigartig. Eine Art Kaviar aus Paprika. Ideal für festliche Abendessen, aber auch für die Präsentation von Speisen in Restaurants.
Frage: Abschließend noch zu Ihren Paella-Sets und der Paella-Gewürzmischung von „La Chinata“, die sind etwas ganz anderes als die mitunter unsäglichen Paella-Farbstoff-Mischungen, die in spanischen Supermärkten stehen. Und damit löst man mit seiner Paella auch keine Verstimmung unter valencianischen Puristen wie Jamie Oliver einst auf Twitter aus ...
Antwort: Wir wollen den Hobby-Köchen damit die Angst vor der Zubereitung nehmen. Und die Zubereitung auch so einfach wie möglich gestalten. Ein Spitzenreis der valencianischen „bomba“-Art, ein exzellentes Olivenöl und eben unsere absolut natürliche Gewürzmischung , die primär eben aus Pimentón und echtem Safran besteht. Damit kommt man zu Hause guten Paella-Erfahrungen in Spanien ausgesprochen nahe. Was man dann dazu gibt, Gemüse, Meeresfrüchte, Fleisch oder auch nur der Reis mit der Gewürzmischung, wie ich es oft mache, schmeckt schon großartig. In unserer Gewürzmischung sind keine Farbstoffe und auch keine Konservierungsmittel, und sie ist glutenfrei. Natürlich kann man für die Paella aber auch unsere im Ganzen getrockneten Ñora-Paprika verwenden.
Zur Person:
Carlos Oliva führt in dritter Generation mit seinem älteren Bruder Javier Oliva und seinem Vater Cecilio „La Chinata“, die besten Pimentón de la Vera (D.O.) und Produkte aus den autochthonen Paprika-Sorten im Norden der Extremadura für Gourmets und die Spitzengastronomie herstellen. Sowie mit „Finca La Barca“ traditionell, wie die Paprika-Schoten, 15 Tage über Eichenholz geräuchertes Olivenöl, Aioli oder Pimientos del piquillo. Kleine, eingelegte, geräucherte Paprikaschoten, die in Spanien gefüllt werden. Ein Gedicht!
TEILEN: